Flucht König Ludwigs XVI. nach Varennes

Mit der Flucht nach Varennes am 20./21. Juni 1791 versuchte König Ludwig XVI. dem revolutionären Frankreich zu entkommen.

Doch schon nach kurzer Zeit musste der Monarch wieder nach Paris zurückkehren.

Vorgeschichte

Nachdem König Ludwig XVI. und seine Familie im Oktober 1789 dazu gezwungen worden waren, das vertraute Versailles zu verlassen, stellte der Tuilerien-Palast die neue Heimstätte dar.

Mit Erlaubnis der Nationalversammlung durfte die königliche Familie hin und wieder Reisen nach Saint-Cloud unternehmen, um dort auf die Jagd zu gehen oder Konzerten beizuwohnen.

Als das königliche Paar im Oktober 1790 von einer Reise zurück nach Paris kehrte, erlebte es einen eisigen Empfang durch das Volk.

Am 13. November versammelte sich vor dem Tuilerien-Palast eine größere feindselige Menschenmenge und voller Furcht floh Ludwig auf das Dachgeschoss des Palastes. La Fayettes Nationalgarde gelang es jedoch, den Mob zurückzudrängen.

Mit Genehmigung der Nationalversammlung wollte die Königsfamilie Ostern erneut nach Saint-Cloud reisen. Diesmal hinderte sie jedoch zunächst die Nationalgarde daran. Vor dem Palast sammelte sich inzwischen eine wütende Menge, die den König beschimpfte und mit den Fäusten gegen die Kutsche trommelte. Daher entschloss sich Ludwig XVI. resigniert, die Reise abzusagen.

Pläne zur Flucht

All diese Ereignisse setzten dem König, der bislang stets gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatte, und seiner Gemahlin Marie Antoinette immer mehr zu.

Vor allem Marie-Antoinette drängte ihren Mann, in einem günstigen Augenblick die Flucht in die benachbarten Österreichischen Niederlande zu wagen.

Außerdem misstraute sie Mirabeau und de La Fayette, obwohl sie dem König wohlgesonnen waren, und sah sie als Umstürzler an.

Ludwig XVI. war jedoch zunächst gegen die Fluchtpläne. So hatte er kein Vertrauen zu den österreichischen Verwandten seiner Frau und befürchtete außerdem, dass nach seiner Flucht ein ehrgeiziger Adliger wie sein Bruder, der Comte de Provence, die Gunst der Stunde dazu nutzen könnte, die Macht zu ergreifen.

Als Mirabeau am 2. April 1791 starb, soll er auf ein Stück Papier an den König die Nachricht „Fliehen!“ geschrieben haben.

Nach dem misslungenen Osterausflug wandelte sich Ludwigs Meinung schließlich, und er plante die Flucht. Sie sollte zunächst ins königstreue Malmedy und von dort weiter ins sichere Luxemburg erfolgen.

Zur Absicherung wurde der königstreue Marquis de Bouillé beauftragt, bei Chaton auf die königliche Kutsche zu warten und sie mit seinen Truppen zu begleiten.

Es war geplant, zusammen mit einigen treuen Höflingen und dem schwedischen Grafen Fersen Mitte Juni eine Reisegesellschaft unter dem Namen Korff zu spielen. Die echte Baronin Korff fuhr die Strecke zuvor ab, ohne dass es zu Zwischenfällen kam.

Die Flucht beginnt

Durch kleinere Zwischenfälle verschob sich die Flucht auf den 20. Juni 1791. Gegen 22 Uhr weckte Marie-Antoinette ihre Kinder, und sie wechselten die Kleider.

Weil La Fayette überraschend um eine Audienz ersuchte, dauerte es bis Mitternacht, bis die Familie die Reise heimlich antreten konnte. Es gelang, Paris ohne Zwischenfälle zu verlassen.

Nach dem Tausch der Kutsche erreichten die Flüchtlinge gegen zwei Uhr Bondy. Dort verabschiedete sich Graf Fersen, der die Kutsche bis dahin gesteuert hatte, und einige Leibwächter gesellten sich stattdessen hinzu.

Bei der weiteren Fahrt kam es immer wieder zu unvorhergesehen Pausen, wodurch sich die Reise verzögerte. So stürzten die Gespanne zwei Mal zwischen Nintré und Chalons und die dadurch entstandenen Schäden mussten behoben werden.

Die Reisenden wurden während ihrer Fahrt mehrere Male erkannt, erlebten jedoch zunächst keinerlei Feindseligkeiten. Die Verzögerungen sorgten jedoch dafür, dass der Marquis de Bouillé sich mit seinen Männern von der Straße zurückziehen musste, um bei der Bevölkerung nicht aufzufallen.

Reaktionen in Paris auf die Flucht König Ludwigs XVI.

Gegen 6:30 Uhr des 21. Juni war die Flucht der königlichen Familie in Paris bemerkt worden. Törichterweise hatte Ludwig XVI. ein Manifest hinterlassen, in dem er ankündigte, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen.

Um Unruhen zu vermeiden, verbreitete de La Fayette, die königliche Familie sei entführt worden. Die Nationalversammlung schloss sich dieser Version an. Die Radikalen um Robespierre zeigten sich darüber zutiefst empört.

Letztlich entsandte die Nationalversammlung Kuriere in sämtliche 83 Départements, um eine Spur des Königs zu finden.

Ankunft in Varennes

Gegen 20 Uhr mussten die Pferde der Flüchtlinge erneut gewechselt werden. Als Ludwig XVI. bei dieser Gelegenheit unvorsichtigerweise seinen Kopf aus der Wagentür streckte, erkannte ihn der Postmeister Drouet. Als die Kutsche wieder abfuhr, begab Drouet sich nach Varennes und informierte dort seine Vorgesetzten.

Um 23 Uhr kam die Kutsche des Königs in Varennes an. Dort sorgte Postmeister Drouet dafür, dass sie gestoppt wurde. Ein Dutzend bewaffneter Männer verlangte die Pässe der Reisenden, die schließlich aussteigen mussten.

Der König leugnete zunächst seine Identität, wurde jedoch von einem ehemaligen Bewohner aus Versailles identifiziert. Ludwig gab nun zu, geflohen zu sein. Als königstreue Husaren kamen und anboten, ihn zu befreien, lehnte der König ab und betrachtete sich als Gefangenen.

Nachdem die Beauftragten der Nationalversammlung in Varennes eintrafen, kehrten der König und seine Familie widerstandslos mit ihnen am 22. Juni 1791 nach Paris zurück.

Zurück in Paris

Am 25. Juni erreichten sie Paris, wo sie von einer unheimlichen Stille empfangen wurden.

So hatte die Regierung negative Kundgebungen gegen die königliche Familie bei schwerster Strafe verboten, und die Nationalgardisten sicherten die Rückkehr.

Durch die Proklamation, die Ludwig XVI. nach seiner Flucht hinterlassen hatte, wusste das Volk aber nun über sein Doppelspiel Bescheid.

Gegen 19 Uhr erreichte Ludwig den Tuilerien-Palast und unterzog sich einer Befragung durch drei Abgeordnete der Nationalversammlung, die ihn jedoch entgegenkommend behandelten.

Der König zeigte sich scheinbar reumütig und räumte ein, die Lage in Frankreich falsch eingeschätzt zu haben. Außerdem bekundete er, der neuen Verfassung positiv gegenüberzustehen.

Politische Folgen der Flucht des Königs

Eine Kommission, die zur Aufklärung der Flucht nach Varennes eingesetzt worden war, gab am 13. Juli bekannt, dass sich Ludwig XVI. nichts vorzuwerfen hatte.

Dieses Resultat akzeptierte die Nationalversammlung und erklärte den König für unantastbar. So sahen die Verantwortlichen keinerlei sinnvolle Alternative für den Übergang in eine konstitutionelle Monarchie.

Daher wurde der Fluchtversuch zu einer „Entführung“ erklärt, sodass Ludwig weiterhin sein Amt ausüben durfte.

Die Gegner der Monarchie gaben sich mit diesem Beschluss jedoch nicht zufrieden. So forderten sie die sofortige Absetzung des Königs. Anstelle der konstitutionellen Monarchie sollte die Republik treten.

Das Besitzbürgertum sprach sich jedoch dagegen aus, weil es befürchtete, die Kontrolle über die Situation zu verlieren.

Das Massaker auf dem Marsfeld

Am 17. Juli verschärfte sich die Lage erneut, als es zum Massaker auf dem Pariser Marsfeld kam. Dabei demonstrierten die linksradikalen Cordeliers gegen den König.

Als die Kundgebung am frühen Abend immer noch nicht beendet war, marschierte de La Fayette mit seinen Truppen auf.

Als dem General plötzlich sein Hut vom Kopf geschossen wurde, eröffneten die Nationalgardisten trotz gegenteiligen Befehls das Feuer auf die Demonstranten und töteten dabei mehrere Dutzend Menschen.

De La Fayette wurde für die Toten auf dem Marsfeld verantwortlich gemacht, wodurch er seine gesamte Popularität beim Volk einbüßte.

Die Radikalen erhielten dagegen weiterhin Auftrieb.

Durch die gescheiterte Flucht des Königs nach Varennes und das anschließende Blutvergießen stand Frankreich nun vor einer weiteren Spaltung, und die Revolution sollte in brutale Gewalt umschlagen.